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Interview: Wolfgang Pomrehn |
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»Die Parteien werden Überraschungen erleben« |
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Bündnis von Montagsdemonstranten plant dezentralen Aktionstag am 3. September. Ein Gespräch mit Edgar Schu* |
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* Edgar Schu ist Mitglied im Koordinierungskreis der Sozialprotestinitiativen
F: Am Samstag hat in Kassel ein bundesweites Treffen der Montagsdemonstranten stattgefunden. Wer war da?
Es waren 50 Leute aus etwa 20 Städten in Ost und West anwesend.
Magdeburg, Dresden, Karslruhe, Berlin, Bremen, Dortmund, Nordhausen,
Gotha und andere waren vertreten. Mit dem Bündnis in Jüterbog, wo eine
Woche zuvor eine größere Demonstration stattfand, haben wir Kontakt. In
den Medien hört man wenig davon, aber es gibt immer noch in vielen
Städten Gruppen, die regelmäßig am Montag mit 30 bis 50 Menschen gegen
Hartz IV demonstrieren. Das ist ein schwelender Protest, der dazu
beiträgt, daß man sich nicht an Hartz IV gewöhnt.
F: Was wurde in Kassel beschlossen?
Am 3. September soll es nach dem Vorbild der Agentur-Schluß-Aktionen
von Anfang Januar einen dezentralen Aktionstag gegen die Hartz-Gesetze
geben. Gemeinsame Forderungen werden deren Abschaffung, ein
bedingungsloses Grundeinkommen, von dem man menschenwürdig leben kann,
und eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohn- und
Personalausgleich sein. Der Tag ist bewußt so gewählt, daß die Proteste
nicht parallel zu einem Parteitag stattfinden, so daß wir unsere
eigenen gesellschaftspolitischen Vorstellungen in die öffentliche
Debatte einbringen.
F: In anderen Kreisen war diskutiert worden, anläßlich des
SPD-Parteitages Ende August eine bundesweite Aktion zu veranstalten.
Führt der Beschluß von Kassel nicht zur Zerfaserung der Proteste?
Es gab in Kassel Vertreter dieser Position, aber auch die meinten, daß
eine Protestmonokultur nicht wünschenswert sei. Wenn man nur gegen die
SPD demonstriert, dann wird das schnell zur Elle, an der man gemessen
wird. Dann kann es schnell heißen, man unterschätze Schwarz-Gelb oder
sei zu eng mit einer anderen Partei verbunden.
Wahrscheinlich wird es eine Aktionswoche werden, in der dann auch
andere Parteien Überraschungen erleben können. Aber auf jeden Fall
waren wir uns in Kassel einig, daß wir am 3. September vor allem
deutlich machen wollen, welche Perspektiven wir in der Bundesrepublik
und auch international haben.
F: Werden Sie das Projekt auch auf dem Erfurter Sozialforum vorstellen, das vom 21. bis zum 24. Juli stattfindet?
Ja. Wir haben dazu einen Workshop angemeldet. Außerdem wird es eine
Konferenz zum Thema »Wie weiter mit den Sozialprotesten?« geben, bei
der auch unser Vorschlag zur Sprache kommt. Wir hoffen, daß wir dort
über das Spektrum hinauskommen, das in Kassel vertreten war. Viele
Leute aus Ostdeutschland haben nicht das Geld für die Fahrtkosten, sie
konzentrieren sich daher auf das Sozialforum.
F: Weshalb war in Kassel kein Vertreter des Koordinierungsbüros von Leipzig anwesend?
Hintergrund ist, daß sich in Leipzig Zentralismus eingeschlichen hat.
Das Problem war, daß Wahlkampf für die WASG und der Protest auf der
Straße nicht richtig auseinandergehalten wurden. Die Demonstranten auf
der Straße haben natürlich für die neue Linkspartei eine vorsichtige
Sympathie, aber sie wollen ihre Eigenständigkeit nicht aufgeben und
sich nicht auf die parlamentarische Schiene beschränken. Das Leipziger
Büro hat hingegen alles, was diese Eigenständigkeit betonte – wie
Informationen der Kampagne gegen Ein-Euro-Jobs –, entgegen den
Beschlüssen nicht weitergeleitet. Internetseiten und E-Mail-Verteiler
müssen jetzt neu aufgebaut werden. Auf dem Treffen in Kassel wurde
dennoch beschlossen, den Leipzigern anzubieten, weiter als eine der
Koordinierungsstellen zu fungieren. |
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